Ein Stiefkind namens News-Feed
»Folge mir auf Facebook oder Twitter!« – wenn das hier stünde, würde sich wohl niemand darüber wundern, denn solche Sprüche sind allgegenwärtig. Wo immer etwas veröffentlicht wird, darf kein Verweis auf diese Platzhirsche der Aktualität fehlen – seien es Internetseiten, Zeitungen, Fernsehsendungen oder schlaue Sprüche auf öffentlichen WC-Türen.
Aber ich betreibe ehrlich gesagt nur deshalb Seiten für WIESOSO? auf diesen Plattformen, um potenzielle Leser dort abzuholen, wo sie sind. Wenn es nach mir persönlich ginge, bräuchte man für so etwas nur News-Feeds (RSS/Atom) – eine Technik, die zu Unrecht ein Schattendasein fristet.
Die Schwächen von Facebook und Twitter
Facebook und Twitter haben für bestimmte Dinge sicher ihre Daseinsberechtigung – Facebook vor allem für Essensfotos von persönlichen Bekannten und Twitter für Essensfotos von Prominenten. Diese Plattformen werden nicht umsonst als soziale Netzwerke bezeichnet, denn sie sind vor allem auf Interaktion zwischen Menschen ausgerichtet.
Nichtsdestotrotz verwenden viele Leute diese Plattformen auch oder ausschließlich, um informiert zu werden. Dafür sind diese Netzwerke aber nur bedingt geeignet. Einige Schwachstellen umfassen:
- Datenschutz: Worüber man sich informieren will, ist mehr oder weniger öffentlich und man kann davon ausgehen, dass die Plattformen selbst wie Messies alles sammeln, was sie in ihre klebrigen Finger bekommen.
- Abhängigkeit: Ohne Facebook/Twitter keine Informationen mehr. Und dazu müssen die Internet-Konzerne nicht einmal pleite gehen. Es genügt schon, wenn sie Dir den Account sperren, weil sie angegebene Daten für falsch halten oder Deine Nutzernummer in der Den-User-ärgern-wir-Lotterie gezogen haben. Das soll durchaus vorkommen.
- Manipulierbarkeit: Was man sieht und in welcher Reihenfolge man es sieht, wird von Facebook/Twitter vorgegeben. Wenn Du als Facebook-Nutzer gedacht hast, dass es so etwas wie Brustwarzen gibt, wirst Du bald eines besseren belehrt. Brustwarzen sind ein Gerücht. Aber auch die Meinung Deines bestens Freundes wird Dir nicht angezeigt, wenn ein geheimer Algorithmus sie als unwichtig einstuft.
- Die vorgegebenen Formulierungen sind mitunter unpassend. Hättest Du etwa wiederkehrende Verdauungsprobleme und wolltest Dich über den medizinischen Stand auf dem Laufenden halten, müsstest Du auf Facebook eventuell »Chronischer Durchfall« öffentlich mit »Gefällt mir« markieren. OK, das war jetzt zugegeben ein konstruiertes Beispiel für einen schlechten Scherz, aber es gibt viele ähnliche Situationen. So ist es durchaus realistisch, dass jemand einen Konkurrenten oder Feind im Auge behalten will – da wäre ein »Gefällt mir« auch sehr verfänglich.
Stattdessen einzelne Internetseiten abseits der Webgiganten direkt zu besuchen, kann diese Probleme lösen. So könntest Du etwa täglich wiesoso.com besuchen und nachsehen, ob es etwas Neues gibt. Da das künftig an 29 von 30 Tagen nicht der Fall sein wird, ist das aber auch nicht die optimale Lösung.
Die Stärken von News-Feeds
News-Feeds bilden nun die Lösung für alle Probleme der Menschheit – oder zumindest für die paar Probleme, die ich in diesem Artikel genannt habe. Meistens begegnen sie einem unter den etwas konkreteren Namen RSS (wie etwa hier auf WIESOSO?) oder Atom.
Solche News-Feeds sind im wesentlichen einfache Dateien, die im Web herumliegen und immer auf die letzten Neuigkeiten eines beliebigen Themas verweisen. Im WIESOSO?-Feed befinden sich etwa immer Verweise auf die aktuellsten Artikel. Erscheint ein neuer Artikel, wird dieser in der Datei ergänzt und bei sehr vielen Einträgen wird der älteste wieder entfernt.
Verwerten kann man diese Dateien in sogenannten Feedreadern. In diesen Programmen lässt sich auf beliebig viele News-Feeds verweisen, die dann in regelmäßigen Abständen automatisch aufgerufen werden, um nachzusehen, ob es etwas Neues gibt.
Damit ist man weitgehend unabhängig. Man gibt keine Daten von sich weiter, bekommt alle Informationen so serviert, wie sie von den Autoren geliefert werden und hat mit der freien Wahl des Feedreaders die Kontrolle darüber, wie die Inhalte präsentiert werden.
Feedreader: Die Qual der Wahl
Vielleicht hast Du schon einen Feedreader, ohne es zu wissen. In manchen Programmen ist ein solcher nämlich als Zusatzfunktion enthalten. Im Webbrowser Firefox können News-Feeds etwa als sogenannte dynamische Lesezeichen abgespeichert werden. In diesem Fall wird im Lesezeichen-Menü des Browsers für jeden hinzugefügten News-Feed ein Ordner angelegt, in dem stets die neuesten Einträge als Lesezeichen angezeigt werden.
Ich persönlich bevorzuge aber das E-Mail-Programm Thunderbird, in dem ebenfalls ein Feedreader integriert ist. Analog zu den Lesezeichen in Firefox werden die einzelnen Einträge hier wie E-Mails dargestellt. Besonders praktisch: Anders als auf Facebook oder Twitter kann ich hier markieren, was ich bereits gelesen habe und kann mir so einzelne Einträge auch für später aufheben.
Darüber hinaus gibt es auch etliche Feedreader als eigenständige Programme. Manche davon lassen sich auch auf eigenem Webspace oder als Cloud-Service installieren, sodass sie von beliebigen Geräten aus aufgerufen werden können. Wer den Teufel mit dem Beelzebub austreiben will, findet im Internet auch Webseiten, bei denen man sich einfach nur registrieren muss, um dann online einen Feedreader nutzen zu können – sozusagen ein Feedreader-Facebook.
Was läuft heute Abend im Feedreader?
Wo bekommt man jetzt interessante News-Feeds her? Im Prinzip fast überall im Web, solange es sich nicht um Facebook und Co. handelt. (Manche Leute sollen heutzutage ja gar nicht mehr wissen, dass es auch ein Internet außerhalb von Facebook gibt.) Konkrete Beispiele:
- Blogs – also Seiten wie WIESOSO? – bieten fast immer einen News-Feed an. Sei es aus edelmütiger Vernunft … oder weil die meisten Blogger einfach keine Ahnung haben, was das von ihnen eingesetzte Blogsystem standardmäßig alles mitbringt.
- Nachrichtenseiten wie die FAZ, die New York Times und Die Presse bieten oft sogar separate Feeds für einzelne Ressorts an. So kann ich etwa als Österreicher den Wissenschaftsteil der Neuen Zürcher Zeitung verfolgen, ohne sinnloserweise mit schweizer Politik eingedeckt zu werden.
- In diversen Wikis wie Wikipedia kann man sich über Änderungen auf beliebigen Seiten informieren lassen. Das ideale Werkzeug für die hohe Kunst des Edit-War.
- In diversen Diskussionsforen – ja, auch so etwas soll es noch geben – kann man sich über neue Beiträge informieren lassen.
Newsfeedbrödel und die bösen Stiefschwestern
Jetzt glaubt vielleicht der eine oder andere, dass News-Feeds irgendeine Erfindung konzernhassender Gutmenschen sind, die Facebook und Twitter ein Schnippchen schlagen wollten. Aber das Gegenteil ist der Fall: News-Feeds sind die deutlich ältere Technik (laut Wikipedia: RSS: 1999, Facebook: 2004, Twitter: 2006) und wurden trotz ihrer Vorteile von sozialen Netzwerken zurückgedrängt.
Anfangs hatten Twitter und Facebook offenbar selbst noch News-Feeds im Angebot, allerdings waren die fast so gut versteckt wie Saddam Husseins Massenvernichtungswaffen im Irak. Dass es auf Facebook noch bis 2015 News-Feeds gab, habe ich als langjähriger (wenn auch geringfügiger) Facebook-Nutzer erst bei den Recherchen zu diesem Artikel erfahren.
Ein ähnliches Ostereierversteckspiel sind heute noch die News-Feeds auf YouTube. Ja, auch die gibt es! Wenn Du Herausforderungen liebst, kannst Du testweise einmal versuchen, den Feed für die Playlist »Mind Blow« von Vsauce2 zu finden! Die Lösung folgt am Ende dieses Artikels.
Besonders ärgerlich an dieser Geheimniskrämerei ist die Tatsache, dass dadurch der falsche Eindruck vermittelt wird, News-Feeds seien ziemlich umständlich. In Wahrheit werden sie aber nur zunehmend umständlich angeboten. Noch vor einigen Jahren wurde etwa bei Firefox direkt in der Adresszeile ein News-Feed-Symbol angezeigt, wenn eine Seite über einen News-Feed verfügte. So war man mit einem Klick an seinem Ziel. Das war wesentlich einfacher als die immer anderen Facebook- und Twitter-Icons, die heute wie nach einem Verkehrsunfall kreuz und quer auf allen Seiten verstreut herumliegen.
Diese Browserfunktion gibt es grundsätzlich immer noch, allerdings hat Firefox sie in all seiner Grausamkeit in das Untermenü »Lesezeichen/Diese Seite abonnieren…« verbannt. Das ist, als würde man das Büro eines Angestellten vom sonnigen 100. Stock in ein modriges Kellerabteil verlegen. Im Fall von YouTube findet man aber selbst hier im Keller keine News-Feeds, weil der dafür notwendige Verweis fehlt.
Dass YouTube und soziale Netzwerke News-Feeds am liebsten tot sehen würden, ist nachvollziehbar. Immerhin verdienen die Firmen dahinter mit Nutzerdaten Geld und würden daher am liebsten jedem eine Kamera an die Stirn schrauben. Wenn das schon mangels passender Schraubvorrichtungen oder gesetzlicher Regelungen nicht möglich ist, will man die Nutzer zumindest dazu bringen, alle ihre Interessen in »praktischen« Benutzerkonten schön übersichtlich zusammenzutragen. News-Feed-Nutzer sind da als Besucher ohne Benutzerkonto bestenfalls Konsumenten zweiter Klasse.
Verwahrlost und vernachlässigt
Bei den großen Datenkraken ist ein vernachlässigter News-Feed ja nachvollziehbar, aber auch andere Webseiten behandeln diese Technik oft ziemlich stiefmütterlich. Stelle Dir etwa vor, Deine Mutter würde in die hintere Mongolei übersiedeln und Dir nichts davon sagen! Genau das machen manche Leute mit ihren News-Feeds.
Es ist mir wirklich schon mehrfach untergekommen, dass Seitenbetreiber ohne Ankündigung den Pfad ihres News-Feeds ändern. Der alte Feed ist ab diesem Zeitpunkt praktisch tot, weil er keine Neuigkeiten mehr liefert. Wenn es davor schon nur selten Neues gab, merke ich das zwischen all meinen Feeds in der Regel gar nicht, sondern vergesse allmählich, dass die entsprechende Seite überhaupt existiert.
Aber auch im laufenden Betrieb sind News-Feeds oft mangelhaft umgesetzt. Hin und wieder bemerke ich, dass einzelne Neuigkeiten fehlen, dafür kommt es bei anderen Feeds immer wieder vor, dass ich Einträge doppelt oder mehrfach erhalte.
Selbst große Seitenbetreiber dürften zum guten Teil keine Ahnung haben, dass sie auch einen News-Feed beliefern beziehungsweise wie dieser aussieht – oder es ist ihnen einfach egal. Auf der Nachrichtenseite derstandard.at konnte ich da im Lauf der letzten Jahre schon verschiedene Phänomene beobachten:
- Im Feed ist generell das Ressort nicht angegeben. Gelegentlich wird aber davon ausgegangen, dass man es kennt. Liest man also von einem bewaffneten Angriff aufs Parlament, sollte man nicht gleich in Angst und Schrecken verfallen, sondern erst einmal den Artikel öffnen und nachsehen, um WELCHES Parlament es sich handelt.
- Manche Meldungen verlinken ohne ersichtlichen Grund auf eine Nur-Text-Version des Artikels. News-Feeds mögen ja auf die späten 90er zurückgehen, aber dass heißt nicht, dass man den Benutzern eine Seite im Stil der 90er präsentieren muss.
- Meldungen aus einem bestimmten Ressort verlinkten eine Zeit lang gar nicht auf den zugehörigen Artikel, sondern nur auf die Ressort-Übersichtsseite.
Die Sache mit der fehlenden Ressortangabe kann ich dabei ja noch einigermaßen nachempfinden, aber die anderen beiden Probleme wirken schon sehr nach groben Fehlern im Grundkonzept. Wenn ich etwa auf WIESOSO? einen Artikel schreibe, dann wird der News-Feed ohne mein Zutun vom System aktualisiert. Das ist ein relativ simpler automatischer Prozess, der entweder immer oder nie korrekt funktionieren sollte. Damit einzelne Einträge überhaupt auf etwas Anderes als den Artikel in seiner Standard-Form verweisen können, müsste diese Funktionalität bewusst programmiert worden sein. Mir fällt aber kein Anwendungsfall ein, in dem das sinnvoll wäre.
Zusammenfassend kann ich nur sagen, dass ich diese stiefmütterliche Behandlung von News-Feeds schade finde. Denn wie man an diesem ellenlangen Werbeartikel sicher sieht, halte ich sehr viel von diesem Konzept und würde es ohne die künstlich geschaffenen Hürden jedem uneingeschränkt empfehlen.
(Rätsellösung)
Hast Du versucht, den News-Feed zur weiter oben angegebenen YouTube-Playlist zu finden? Hier ist er: https://www.youtube.com/feeds/videos.xml?playlist_id=PL2E357C14C00D6089
Es war gewissermaßen eine Fangfrage. Ich kenne nämlich selbst keinen Weg, von der YouTube-Seite aus direkt dorthin zu kommen. Wenn ich eine Playlist abonnieren will, muss ich jedes Mal den Pfad wie hier angegeben manuell einfügen und hinter »playlist_id=« die ID der gewünschten Playlist eingeben, die ich wiederum aus dem Pfad der Playlist-Seite auslesen muss. Solltest Du einen direkten Weg gefunden haben, freue ich mich über eine Aufklärung im Kommentarbereich.
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