Warum hinter hässlichen Websites oft die besseren Angebote stecken

Eine Internetseite wirkt aus der Zeit gefallen oder einfach nur hässlich? Das ist nicht zwangsläufig ein Warnsignal – oft ist es sogar das Gegenteil.

Drei Website-Screenshots neben einem Pokal mit der Beschriftung »beste (und hässlichste) Website«
Als Ersteller hässlicher Webseiten bin ich dazu prädestiniert, solche Abscheulichkeiten schönzureden. (Montage, Bildquelle Pokal: eskay lim auf Adobe Stock)

Deine Website verursacht blutende Augen? Willkommen im Club! Wir sind die besten! … Ja, das ist natürlich eine dezente Übertreibung, aber möglicherweise mit einem wahren Kern. Eine schöne Seite ist nämlich keineswegs automatisch eine gute Seite und erst recht kein Garant für ein gutes Angebot. Oft haben Ecken und Kanten sogar sehr positive Ursachen.

Schönheit sagt nichts mehr aus

Grundsätzlich gibt es ja mehrere Wege, um zu einer eigenen Website zu kommen. Als ich mir um die Jahrtausendwende herum zum ersten Mal eine eigene zusammengeschustert hatte, gab es zwei wesentliche Stoßrichtungen: Man konnte sie entweder in mühevoller Handarbeit erstellen oder sich einfach bei einem Online-Dienst anmelden, wo man sich etwas aus einem Baukasten zusammen klickt.

Während die handgefertigten je nach Kompetenz von Augenschmaus bis Augengraus reichten, waren die Baukasten-Exemplare überwiegend manifestierte 90er-Jahre-Klischees mit funkelnden Sternenhintergründen, Comic Sans und zusammengeklauten Bildchen von fliegenden Briefen, rotierenden Pfeilen und blinkenden Baustellen-Schildern.

Website mit psychedelischem, gekachtelten Hintergrundbild, etlichen »Welcome«-Bildchen und einem Menü, das unter anderem die Einträge »scheisse« und »cooooooooooooooooool« hat.
Website des zwei-millionsten Mitgliedes beim Website-Baukasten Beepworld im Jahr 2004.

Allerdings haben sich die Zeiten seitdem grundlegend geändert. Auf Ästhetik getrimmte Vorlagen sind heute im Baukasten-Umfeld der Normalfall und kaum jemand macht sich deshalb noch den Aufwand, eine Seite von Hand zu erstellen.

Vier Vorschau-Bilder für Website-Vorlagen mit gedeckten Farben und professionellen Stockfotos.
Rund 20 Jahre später gibt es Beepworld noch immer, aber fertige Vorlagen sorgen dafür, dass die typische Beepworld-Seite nicht mehr wie ein LSD-Trip aussieht.

Und genau das ist das Problem, wenn man heutzutage ein Angebot auf Basis der Website-Ästhetik beurteilen will: Sie hat keine Aussagekraft mehr. Jeder, der in der Lage ist, eine Computermaus geradeaus zu schubsen, kann in fünf Minuten bei einem Baukasten-Anbieter wie wordpress.com eine hübsche, aber bedeutungslose Seite aus dem Boden stampfen.

Inhalt statt Verpackung

Zugegeben war auch in der Ära der Handarbeit eine hübsche Seite noch lange kein Beweis für ein gutes Angebot. Das wahrscheinlich deutlichste Unterscheidungsmerkmal war und ist der Inhalt – beziehungsweise dessen Absenz.

Wenn mir damals optisch ansprechende Seiten unterkamen, war die Optik in der Regel auch schon alles, was sie zu bieten hatten. Es waren hübsche Verpackungen ohne Inhalt. Nicht selten waren das Projekte von jungen Leuten, die außer Webdesign kaum Interessen hatten. Dementsprechend stand auf solchen Poser-Plattformen kaum mehr als »hallo, ich bin tim, ich mag computer und webdesign und hasse großbuchstaben«. Nach dem Release solcher Seiten wurde dann nicht etwa an Inhalten gearbeitet, sondern es wurde sofort die technische Planung für die nächste, noch eindrucksvollere Website-Version begonnen.

Baukasten-Systeme hatten dagegen ein großes Potential, Leute mit anderen Interessen für sich zu gewinnen – also solche, die tatsächlich etwas zu erzählen hatten. In der Folge waren die inhaltlich umfangreichsten Angebote dann oft die hässlichsten.

Zwischen den Extremen von Online-Baukasten und handgeschriebenen Quelltexten gab es auch schon früh die Option sogenannter WYSIWYG-Editoren wie Microsoft FrontPage, also lokal installierter Programme, mit denen man Webseiten ähnlich wie Office-Dokumente erstellen und bearbeiten konnte. Zu den so erstellten Webseiten gehörte auch die ergiebigste Quelle für meine Fachbereichsarbeit in Biologie (Teil meiner Reifeprüfung 2004), allerdings war diese Seite so kitschig gestaltet, dass ich sie in der Referenzliste erst an letzter Stelle angeführt hatte – und selbst das hatte mich Überwindung gekostet.

Website mit vielen verspielten, bunten Bildchen und der Überschrift »Zu Beginn eine kleine Abhandlung über den direkten Vorfahren unseres heutigen Frettchen, den Iltis«. Darunter beginnt der Artikel mit den Worten: »Der europäische Iltis, Mustela putorius, gehört zu der großen Familie der Marder, Mustilidae, …«
Fachartikel im Web anno 2004 – nur echt mit Comic Sans. (Screenshot aus dem Internet Archive, damals im Original konnten zumindest die Bilder noch alle geladen werden.)

Hässlichkeit zeigt Engagement

Inhalt ist zwar ein guter Indikator dafür, was ein Angebot wirklich taugt, aber nicht jede Website braucht Unmengen an Inhalt. Ein Installationsunternehmen muss keine Doktorarbeit über die Geschichte der Klospültechnik veröffentlichen, um einen Spülkasten montieren zu können.

Je weniger Inhalt vorhanden ist, desto genauer sollte man ihn unter die Lupe nehmen. Holprige Formulierungen und verwackelte Fotos können entgegen der Intuition ein gutes Zeichen sein, weil sich der Betreiber offensichtlich mehr Aufwand gemacht hat, als bloß Name und Anschrift in irgendeine glattgebügelte Nullachtfünzehn-Vorlage hineinzuklatschen.

Im Idealfall sollte man Texten und Bildern ansehen, dass sie für ihren spezifischen Kontext gemacht worden sind. »Wir sind Ihr kompetenter Partner in allen Lebenslagen«, gekoppelt mit einem Foto von einer lachenden Bilderbuch-Familie vor einem Traumhaus … das ist so nichtssagend, dass es von einer billigen Parfümerie bis zum Versicherungskonzern jeder verwenden könnte.

Typische Fotos mit wirklicher Individualität zeigen zum Beispiel das Firmenlogo vor dem Firmensitz oder einzelne Mitarbeiter. Wenn die Fotoqualität nicht perfekt ist, der Firmensitz nicht nach Architekturperle und die Mitarbeiter nicht wie Topmodels aussehen, steigert das die Glaubwürdigkeit enorm. Manche Betrugswebseite lässt sich schon dadurch entlarven, dass die vermeintlichen Mitarbeiterfotos auf den ersten Blick zu schön sind, um wahr zu sein – nicht selten findet man dann bei einer kurzen Bildrecherche heraus, dass es sich um Stockfotos handelt.

Zwei Artikel aus der WIESOSO-Artikelübersicht. Einer hat ein hübsches Bild von Tastatur und Maus in schwarz und gold, der andere eine recht grobe Linienskizze in blassen Grautönen.
Wenn es inhaltlich passt, verwende ich manchmal auch Fotos von der Stange. In anderen Fällen sind die Ergebnisse nicht immer schön anzuschauen, aber dafür einzigartig und individuell auf den Inhalt zugeschnitten. (Bildquelle oberes Vorschaubild: Rawf8 auf Adobe Stock)

Genauso kann es heutzutage ein Qualitätsmerkmal sein, wenn der gesamte Website-Aufbau in irgendeiner Weise deutlich von den sonst üblichen Gepflogenheiten abweicht. Das ist ein sehr starkes Indiz dafür, dass man wirklich Aufwand in die Erstellung der Website gesteckt hat – sei es durch eigenen Zeiteinsatz oder dadurch, irgendwelchen Agenturkünstlern Geld in den Rachen zu werfen.

Weiße Website mit einfachen, schwarzen Strichzeichnungen. In der Mitte ein Strichmännchen, bestehend aus den vereinfachten Buchstaben des Firmennamens. Das Männchen zeigt auf einen von sechs Menüpunkten.
HCM Advice ist eine der wenigen Firmenwebseiten, die in den letzten Jahren einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen haben. Navigationstechnisch ist sie auch eine der verwirrendsten Seiten, die ich gesehen habe, aber man kann nicht alles haben …

Ob das Ergebnis so einer Eigeninitiative schön ist, liegt im Auge des Betrachters, aber selbst wenn sich 90 Prozent aller Besucher die Augen mit Seife waschen wollen, zeigt so eine Seite zumindest wesentlich mehr Engagement als die sonst übliche Massenware.

Personen zeigen Persönlichkeit

Wenn ein großes Unternehmen sich an einen großen Markt richtet, ist es nachvollziehbar, dass die Website ganz auf die Durchschnittserwartungen von Max Mustermann ausgerichtet ist – schließlich hat man sich schon etwas Funktionierendes aufgebaut, das man nur noch am Laufen halten muss. Auf Websites von Einzelpersonen können ein paar Ecken und Kanten dagegen vorteilhaft sein, um Persönlichkeit zu zeigen und einen Wiedererkennungswert aufzubauen.

Vor wenigen Jahren hatte ein Gitarrelehrer namens Bernhard in einem von mir besuchten Diskussionsforum zum Thema Webdesign seine neue, handgemachte Website vorgestellt und nach Kritik gefragt. Daraufhin wurde ihm unverblümt empfohlen, er solle es sein lassen und stattdessen doch einfach eine hübsche Gratis-Vorlage nehmen.

Ich war über diesen Vorschlag schockiert, denn so schlecht war seine Website wirklich nicht. Sie war definitiv kein Kandidat für einen Design-Oskar, aber sie erfüllte ihren Zweck und man sah ihr an, dass sie mit Liebe von Hand gemacht war.

So einen Aufwand tut sich nur jemand an, für den Gitarrenunterricht wirklich eine Leidenschaft ist. Eine Standardvorlage kann auch schnell mal jemand ausfüllen, der gerade mal »Alle meine Entchen« mit einem Finger beherrscht und noch größeren Amateuren ein paar schnelle Euros aus der Tasche ziehen will.

Wie sich in der Online-Diskussion weiter gezeigt hatte, war Bernhard auch nicht ganz unerfahren mit Webseiten. Er hatte davor bereits für eine Kollegin eine zum Verwechseln ähnliche Seite erstellt, die laut seiner Aussage sehr gut läuft.

Ebenfalls vor ein paar Jahren hatte ich nach einem Experten gesucht, der eine Social-Media-Schulung abhalten kann, und bekam dazu zwei Webseiten empfohlen. Eine sah ein wenig altmodisch aus und stellte eine ganz konkrete Person mitsamt Lebenslauf vor, die andere war eine trendige Design-Seite, der man zwischen hohlen Marketing-Phrasen aber nicht einmal entnehmen konnte, ob mehr als eine Person dahinter steckt.

Ich hatte beide per E-Mail um ein konkretes Angebot gebeten. Von der persönlichen Website hatte ich am nächsten Tag ein kompetentes Angebot in der Hand.

Bei der unpersönlichen wurde meine Anfrage erst einmal intern weitergereicht, weil sich der erste Empfänger nicht zuständig fühlte. Als nach einigen Tagen schließlich ein Angebot kam, hatte dieses den gleichen Vorlagen-Charme wie die Website und ging überhaupt nicht auf die konkreten Anforderungen ein. Wenn es das Ziel dieser Firma war, nach außen hin genauso unpersönlich, unmotiviert und umständlich wie ein Konzern aufzutreten, ist das damit erfolgreich gelungen.

Sie haben es nicht nötig

In vielen Fällen kann eine hässliche, veraltete oder rundum schlechte Website auch einfach nur bedeuten, dass der Betreiber eine bessere schlicht und ergreifend nicht nötig hat.

Als ich einmal auf der Suche nach einem Installateur war, hatte ich sieben Unternehmen in meiner Nähe angeschrieben, die ich zuvor im Internet recherchiert hatte. In einem Fall sah die Website aus, als wäre ich ihr erster Besucher seit 20 Jahren; das Design war aus einer anderen Ära, Bilder konnten vereinzelt nicht geladen werden und ein Kontaktformular war defekt.

Nichtsdestotrotz schickte ich meine Anfrage an die angegebene E-Mail-Adresse … und bekam noch am selben Tag eine Antwort – und zwar eine unbegründete Absage. Offensichtlich gab es das Unternehmen also noch, aber man hatte meinen Auftrag wohl nicht nötig. Vielleicht lebte es stattdessen von Stammkunden, anderen Vertriebskanälen, … oder Geldwäsche.

Solche Ursachen – also zumindest Stammkunden und andere Vertriebskanäle – kenne ich aus meiner eigenen Berufspraxis: 2006 hatte ich eine Website für ein Telefonmarketing-Unternehmen erstellt, die fast unverändert bis 2021 online war. Weil die Firma auf Telefonkontakte spezialisiert ist, liegt es hier auf der Hand, dass Online-Medien eine untergeordnete Rolle spielen.

Alte, etwas altmodische Website von Delta Marketing, Unterseite »Telefonmarketing«.
Hat 15 Jahre lang seinen Zweck erfüllt, bevor es durch ein frischeres Design abgelöst wurde.

Allgemein hat eine reine Firmenwebsite heute wahrscheinlich auch weniger Bedeutung als noch vor einigen Jahren, weil sich viel Aufmerksamkeit zu Social Media hin verlagert hat. Eine offensichtlich veraltete Website ist da mitunter ein gutes Zeichen dafür, dass man schon lange im Geschäft ist.

Ob eine Seite ein echter Klassiker oder doch nur eine Neuschöpfung mit Retro-Schick ist, kann man gegebenenfalls mit der WayBack Machine von archive.org in Erfahrung bringen.

Sie sind keine Mitläufer

Nicht zuletzt sollte man sich vor Augen halten, dass »schön« und »gut« nicht dasselbe sind. Ich gebe zu, dass die heute typischen Standard-Websites auf den ersten Blick hübsch anzusehen sind, aber in der Regel will ich sie mir nicht als Zierde an die Wohnzimmerwand projizieren, sondern damit arbeiten, und da wird so mancher Trend wie riesiger Weißraum oder Infinite Scrolling zur Qual.

Ein Problem mit Trends ist auch, dass sie sich definitionsgemäß ändern. Wem eine zeitgemäße Ästhetik wichtig ist, der muss sich darauf einstellen, seine Website alle paar Jahre nach dem neuesten Schrei zu richten. Und dafür müssen letztendlich wir als Kunden zahlen.

Daneben stellt sich die Frage, ob sich dieses Trend-Mitläufertum auch in der Expertise des Unternehmens selbst widerspiegelt. Wenn mir mein Installateur eine neue Kloschüssel in der Trendfarbe des aktuellen Sommers andreht und mir dann zwei Monate später das Herbstmodell schmackhaft machen will, kann er sich seine schicke Website in den Siphon stecken.

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Kommentare

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Michael Treml, 2024-01-19 21:07:

Tut mir leid! Das war trotz guter Absichten wirklich etwas undurchdacht von mir. Ich habe die entsprechenden Stellen im Artikel jetzt anonymisiert.

Bisherige Kommentare

  • Bernhard

    ich finde Deine Ausführung zu meinen Sites gut und hilfreich. Aber es ist sehr verletzend, sie auch beim Backlink-Check unter "hässliche Webeite" gelistet zu sehen. Hier ist für mich die Verpackung so deprimierend, dass es mit schwerfällt, das Positive wirken zu lassen.

    • Michael Treml (Seitenbetreiber)

      Antwort an Bernhard:

      Tut mir leid! Das war trotz guter Absichten wirklich etwas undurchdacht von mir. Ich habe die entsprechenden Stellen im Artikel jetzt anonymisiert.

  • Tony T

    Diesen Ansichten würde ich vorbehaltlos zustimmen! Ich habe viel mit Sprachkurs-Anbietern zu tun, und bei den immer gleichen Seiten mit den immer gleichen Bildern von möglichst diversen und möglichst überglücklichen jungen Leuten mit Collegeblocks könnte ich schreien ;)