Facebooks fehlende Filterfunktionen
Kritiker meinen ja ganz gerne, dass man auf Facebook nur Essensfotos von Selbstdarstellern zu sehen bekommt. Als gelegentlicher Facebook-Nutzer kann ich nur sagen: Schön wär's. Ein wenig vom Leben seiner alten Bekanntschaften mitzubekommen, wäre ja eigentlich das, was ich mir von Facebook erwarte.
Stattdessen bekomme ich aber immer öfter journalistische Artikel geliefert, die irgendjemand geteilt oder mit »gefällt mir« markiert hat. Dazu brauche ich kein Facebook, denn für Nachrichten habe ich wesentlich bessere Werkzeuge. Aber Facebook gibt mir auch keine Möglichkeit, das abzustellen.
Irgendwas Undefiniertes ausblenden
Ja, es gibt da eine Möglichkeit, gewisse Dinge nicht mehr anzuzeigen. Neben jedem Beitrag kann man ein Untermenü öffnen, in dem man Facebook mitteilen darf, dass man so einen Käse nicht mehr sehen will. »Weniger Beiträge wie diese anzeigen« heißt diese Funktion. Aber was heißt das konkret? Was sind »Beiträge wie diese«? Und wie viel weniger ist »weniger«?
Hier dürfte Facebook wohl meinen, dass irgendein Algorithmus intelligenter ist als ich und aus ein paar Klicks berechnen kann, was ich will und was ich nicht will. Die Funktion könnte ebenso gut »Computer für mich denken lassen« heißen.
Dabei weiß ich ganz genau, was ich nicht sehen will – nämlich Beiträge, die meine Kontakte nur mit »gefällt mir« markiert oder kommentarlos geteilt haben. Aber egal, wie oft ich angebe, dass ich »weniger Beiträge wie diese« sehen will, sie kommen trotzdem immer wieder. Da könnte man statt eines Algorithmus auch ein Walross für mich denken lassen – das Endergebnis könnte auch nicht viel bescheidener sein.
Aber zumindest ist das nicht die einzige Funktion im Menü. Alternativ habe ich noch die Möglichkeit, zukünftig überhaupt nichts mehr von der entsprechenden Person zu sehen. Eine tolle Auswahl – ich kann einen Bekannten also komplett aus meinem Leben ausblenden oder muss alternativ an jedem lustigen Katzenvideo, das ihm gefällt, teilhaben.
Wenn keine Internetseite, sondern ein bereits bestehender Facebook-Beitrag geteilt wird, gibt es sogar noch die dritte Option, nur die Quelle dieses Beitrags zu sperren. Damit man da garantiert keine kommentarlos geteilten oder Gefällt-mir-Beiträge mehr bekommt, müsste man praktisch jedes einzelne Facebook-Profil und jede einzelne Facebook-Seite manuell blockieren, sobald man das erste mal etwas davon sieht. Da würde selbst Sisyphos wieder freiwillig zum Steinrollen gehen.
Irgendwas Undefiniertes per E-Mail erhalten
Da ich Facebook nicht als wichtige Informationsquelle sehe, schaue ich nur relativ selten auf dieser Plattform vorbei – sofern ich nicht gerade auf eine Antwort oder Ähnliches warte vielleicht ein Mal pro Woche. Aber da Facebook ja vermeintlich dazu da ist, um Kontakte zu pflegen, würde ich schon ganz gerne vor meinem nächsten Login informiert werden, wenn mir jemand eine Nachricht schreibt, mir eine Freundschaftsanfrage sendet oder auf sonstige Art direkt mit mir in Kontakt tritt. Das klingt nach einer Mission für den Helden des PC-Alltags: E-Mail-Man. Doch Facebooks E-Mail-Man dürfte ein versoffener Chaot sein.
In den Benachrichtigungseinstellungen habe ich nämlich drei überwiegend konfuse Optionen:
- »Alle Benachrichtigungen, außer der Benachrichtigungen, die du abbestellst«
- »Wichtige Benachrichtigungen über dich oder Aktivitäten, die du verpasst hast«
- »Nur Benachrichtigungen zu Deinem Konto, deiner Sicherheit und Privatsphäre«
In meiner grenzenlosen Naivität hätte ich ja erwartet, dass direkte Nachrichten und Freundschaftsanfragen an mich unter »wichtige Benachrichtigungen« fallen, aber schon die Kombination mit »Aktivitäten, die Du verpasst hast« hat mich etwas stutzig gemacht. Das klingt ein wenig als hätte man an seiner Alarmanlage die Option »Schlage nur in dringenden Fällen Alarm … oder in irgendwelchen anderen Fällen«.
Letztendlich erhalte ich mit dieser Auswahl bis zu drei Mal täglich so hochwichtige Benachrichtigungen wie »Fred Clever hat ein neues Foto hinzugefügt« oder »Sieh Dir an, worüber andere Personen in deiner Gruppe Nasenhaar-Rasur sprechen«. Dass mich im gleichen Zeitraum ein alter Schulfreund wegen einer geschäftlichen Sache angeschrieben hat, war dagegen keine Meldung wert. Eine neue Freundschaftsanfrage eines guten Studienkollegen ebenfalls nicht.
Jetzt kann ich nur noch darauf hoffen, dass das wirklich Relevante zumindest unter »alle Benachrichtigungen« enthalten ist. Es graut mir bloß vor der Vorstellung, wie viel Müll ich dann erst erhalten werde. Der Menüpunkt verspricht zwar, dass man nicht erwünschte Benachrichtigungen abbestellen kann, aber das kann man immer erst dann machen, wenn man eine E-Mail der entsprechenden Sorte erhalten hat. Da wird Sisyphos vielleicht wieder hellhörig, aber Bequemlichkeit ist etwas Anderes und wenn man sich in der Facebook-Hilfe ein bisschen umhört, dürfte es selbst dann nicht sicher sein, dass man immer über persönliche Nachrichten informiert wird.
Das Internet im Internet
»Yo dawg, I herd you like the Internet, so I put an Internet in your Internet …« Xzibit würde es vielleicht anders sehen, aber ich finde es wirklich schade, dass Facebook durch diverse Erweiterungen zwanghaft versucht, ein Internet im Internet aufzubauen. Es gibt tatsächlich schon Facebook-Nutzer, die nicht wissen, dass sie im Internet sind.
Technisch sollte es ja kein Problem sein, elementare Kontaktfunktionen zur Verfügung zu stellen. Also muss man davon ausgehen, dass Facebook es einem ganz bewusst schwierig macht, seine Facebook-Nutzung gering zu halten. Das Nutzvieh – kurz »Nutzer« – soll sich nicht ein Mal pro Woche für eine halbe Stunde einloggen, sondern vom ersten Hahnenschrei bis zum Ins-Bett-fallen online sein, um mit bezahlter Werbung zugedröhnt zu werden. Dazu setzt Facebook nicht nur gezielt auf die Einbindung von Nachrichten, sondern will in Zukunft wohl auch noch YouTube und eBay Konkurrenz machen. Wir erleben hier gerade die Geburt der eierlegenden Wollmilchsau.
Der ursprüngliche Zweck gerät dabei immer mehr in den Hintergrund. Der Name »Facebook« leitet sich ja eigentlich von Jahrbüchern an amerikanischen Schulen ab – ein nettes Mittel, um sich an Schulkollegen zu erinnern und um sie gegebenenfalls irgendwann wieder zu erkennen, wenn sie einem über den Weg laufen. Als ich mich vor Jahren registriert hatte, ging es mir auch genau darum: zu erfahren, was ehemalige Schulkollegen heute so treiben. Facebook hat dann in weiterer Folge auch zu Jahrgangstreffen geführt, die ohne diese Vernetzung wohl sehr viel überschaubarer ausgefallen wären und zum unendlichen Leid aller Beteiligten wohl ohne mich stattgefunden hätten.
Facebook als umfassende Plattform mag ja auch irgendwo ganz lustig sein. Viele Artikel, die meine Kontakte teilen, wecken durchaus mein Interesse. Aber es fällt mir immer schwerer, in dieser Informationsflut nicht zu ertrinken.
Ich habe noch einen Screenshot meines Facebook-Profils von 2011. Da gab es auch schon für jeden meiner öffentlichen Kommentare einen eigenen Eintrag, allerdings waren das abgekürzte Einzeiler in winziger Schrift, die man leicht überspringen konnte. Heute genügt es dagegen schon, wenn irgendjemand irgendwo auf »gefällt mir« klickt und ich bekomme dazu eine bebilderte und bildschirmfüllende Meldung, die praktisch nicht von einem richtigen Status-Update zu unterscheiden ist.
Ein Hauch von Hoffnung
Aus wirtschaftlicher Sicht ist es nachvollziehbar, dass Facebook seine Nutzer an sich binden und nicht mehr von der Leine lassen möchte. Aber wenn man auch Leute wie mich halten will, sollte man zumindest in den Einstellungen, in die sich ohnehin kein normaler Mensch verirrt, entsprechende Optionen für Wenignutzer anbieten.
Immerhin muss ich zugeben, dass ich in den letzten Jahren ein bisschen guten Willen wahrgenommen habe. So sehr ich auch Algorithmen hasse, die mir das Denken abnehmen wollen: Ich habe subjektiv den Eindruck, dass sich die automatische Sortierung der Beiträge verbessert hat und die wirklich relevanten Dinge heute weiter oben stehen als früher.
Auch angenehm überrascht – und ein wenig irritiert – war ich, als ich nach dem Einloggen auf der Website zum ersten Mal mit einem »Guten Abend« und dem Bild einer Banane begrüßt wurde. Nachdem ich anschließend kraft meiner vollen geistigen Kapazität durchschaut hatte, dass die Banane in Wahrheit einen Sichelmond darstellen soll, verging dann auch die Irritation und es blieb nur das angenehme Gefühl.
Es hat mich selbst ganz schön erstaunt, dass so eine Kleinigkeit tatsächlich Eindruck auf mich machen kann. Aber mit diesem einfachen Login-Gruß hat man mir zumindest gezeigt, dass man sich sehr wohl der Leute bewusst ist, die nicht dauerhaft online sind. Und das war noch nicht alles: Beim Ausloggen wird heute eine Seite gezeigt, welche die meisten Nutzer wohl nie zu Gesicht bekommen und die da sagt: »Danke, dass du mal wieder vorbeigeschaut hast!« Wirklich liebenswerte Gesten, die mir sagen, dass man meine Gelegenheitsnutzung respektiert. Jetzt müsste sich das nur noch in konkreten Filterfunktionen niederschlagen.
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Kommentare
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Bisherige Kommentare
Tony T
Schön zusammengefasst! Folgende provokante Frage sei mir gestattet: Warum loggst du dich auf fb aus? ;)
Michael Treml (Seitenbetreiber)
Antwort an Tony T:
Da habe ich wohl einen dezenten Verfolgungswahn. ;-)
Nachdem heutzutage fast jede Website irgendwelche Facebook-Skripts eingebunden hat, habe ich immer Bedenken, dass jeder meiner Klicks von Facebook verfolgt werden kann. Wahrscheinlich können sie das dank Tracking Cookies, IP-Adresse etc. auch so – aber ich fühle mich wohler, wenn ich meine Identität nicht auf dem Silbertablett serviere.
Außerdem bin ich dann sicherer vor Malware, die heimlich meine Facebook-Daten abgreift oder ungefragt etwas in meiner Timeline posten will. Und es sieht nicht jeder meiner Facebook-Kontakte, wann ich gerade am PC bin.