Sollten wir daheim für Notfälle einen Strom-Vorrat anlegen?

Vor einigen Jahren war ich einmal an einem Samstag spätabends von einer Familienfeier nach Hause gekommen, als an der Haustür ein Zettel hing: Wegen eines Gebrechens musste unserem Haus vorerst die Wasser-Zufuhr abgedreht werden.
Informationen dazu, wie lange das so bleiben sollte, gab es keine. Als einzige Beschwichtigung war angegeben, dass ein Fahrzeug mit Notwasserversorgung komme, aber außer der wortwörtlichen Ankündigung »kommt« gab es dazu keine Details. Weil ich nicht wusste, wie lang dieser wortkarge Zettel schon da hing, war es gut möglich, dass ich es bereits verpasst hatte.
Das war für mich mehr als bloß eine kleine Unannehmlichkeit, denn seit ich mich vom Limonade saufenden Saulus zum Leitungswasser-Paulus gewandelt hatte, war das Getränkefach in meinem Kühlschrank üblicherweise leer. Mit anderen Worten: Keine Wasserleitung, nichts zu trinken. Von einem Moment zum anderen konnte ich mein elementarstes Grundbedürfnis nicht mehr stillen. Und die sonst so naheliegende Notlösung, Flaschenwasser im Supermarkt zu holen, lag am Samstagabend auch in weiter Ferne.
Zum Glück wohnen meine Eltern nicht weit weg und konnten mich ausreichend bewassern, aber die vorerst empfundene Hilflosigkeit brachte mich dazu, mir über meine Abhängigkeiten Gedanken zu machen und in Zukunft besser vorzusorgen – nicht nur beim Wasser.
Beim Thema Strom war ich aber lange unschlüssig und hatte mich letztendlich dazu entschieden, keinen separaten Not-Vorrat anzulegen. In diesem Artikel erzähle ich, wieso das so ist.
Es lebt!
Bezüglich Wasser lag meine erste Vorsorgemaßnahme auf der Hand: Als er wieder geöffnet hatte, pilgerte ich zum Supermarkt und schleppte eine Großpackung Wasserflaschen als eiserne Reserve nach Hause. Aber diese Lösung war ebenso einfach wie mangelhaft.
Zum Glück lebe ich ja in einer verhätschelten, westlichen Industrienation, in der Ausfälle der Wasserversorgung eine Rarität sind. Und da ich im Gegensatz zu Jesus zwischen Wasser und Wein unterscheiden muss, werden meine Wasservorräte auch nicht unbedingt besser, wenn ich sie jahrelang einlagere.
Es ist zwar nicht so, als hätten sich meine Vorräte in grüne Sumpf-Biotope verwandelt, aber dass die Plastikflaschen nach ein paar Jahren auffallend weich und etwas eingefallen waren, wirkte nicht gerade vertrauenerweckend. Selbst wenn der Inhalt noch keimfrei gewesen sein sollte, handelte es sich mittlerweile wohl um einen Weichmacher- und Mikroplastik-Drink. Es schien daher angemessen, sowohl die Aufbewahrungsdauer als auch die -form zu überdenken.
Bei Nahrung wird bezüglich Dauer oft zum sogenannten lebenden Vorrat geraten. »Lebend« heißt in diesem Fall nicht etwa, dass man in seiner Großstadt-Wohnung Schweine und Hühner halten soll, sondern seine Vorräte laufend zu konsumieren und nachzukaufen, damit sichergestellt ist, dass sie ausreichend frisch sind.
Bei Nahrungsmitteln hatte ich das ohnehin schon immer so gemacht – aus reiner Bequemlichkeit. Denn um täglich frisch einkaufen zu gehen, bin ich zu faul.

Beim Wasser ist das leider nicht so intuitiv. Da ist die Bequemlichkeit, es bei Bedarf direkt aus der Leitung zu zapfen, nicht mehr zu überbieten.
Grundsätzlich gäbe es zwar in jedem Haushalt einen automatisch vorhandenen, relativ frischen Wasser-Vorrat, der auch bei Leitungsstörungen vorerst erhalten bleibt … aber ohne große Not aus dem Toiletten-Spülkasten zu trinken, ist nicht jedermanns Sache. Meine auch nicht.
Deshalb habe ich für meinen lebenden Wasservorrat letztendlich Glasflaschen gekauft und mit Leitungswasser gefüllt. Jedes Wochenende mache ich die älteste dieser Flaschen auf, trinke sie aus, wasche sie und befülle sie neu.

So weiß ich, dass ich zu jedem Zeitpunkt ein paar Liter Wasser eingelagert habe, das ich bedenkenlos trinken kann.
Frischer Strom
Um einen Lebensmittel- oder Wasservorrat anzulegen, benötigt man lediglich etwas Platz – und gegebenenfalls geeignete Behältnisse. Wenn man sich auch gegen einen Stromausfall wappnen will, kommt man allerdings nicht so billig davon.
Die klassische Vorsorge, die in keiner Zombie-Apokalypse fehlen darf, besteht aus einem benzinbetriebenem Notstromaggregat. Neben dem Gerät und dem fossilen Brennstoff sollte man hier auch über einen Garten – oder zumindest einen Balkon oder eine Terrasse – verfügen, denn wenn man so einen Verbrennungsmotor im Wohnraum betreibt, läuft zwar der Fernseher wieder, im Gegenzug wird aber die Lunge recht rasch ihren Betrieb einstellen.

Eine atmungsfreundlichere Alternative stellen natürlich Solar-Panele dar, aber da die im – hoffentlich überdachten – Wohnraum nicht sehr effektiv sind, muss man auch hier über geeigneten Außenraum verfügen – mindestens über eine sonnige Fassade, an der man diese Dinger auch montieren darf. Daran würde es bei mir schon scheitern.
Bestenfalls könnte ich mir eine kleine, mobile Anlage zulegen und die Solar-Panele bei Bedarf vorübergehend in oder vor das Fenster hängen. Die Ausbeute wäre allerdings bescheiden und speziell in einer Situation wie meiner damaligen Wassersperre, wo ich in tiefdunkler Nacht nach Hause kam, wäre so eine Sonnenkraft-Anlage auf kurzfristige Sicht erst recht nutzlos.
Strom-Konserven
Frischen Strom zu gewinnen, ist für mich als Wohnungsmieter also nicht so einfach. Aber könnte ich es nicht genauso wie bei meinen Wasservorräten machen? Einfach etwas von der ohnehin vorhandenen Leitung abzapfen und einlagern?
Einen Speicher bräuchte ich ohnehin auch für eine Solaranlage, um nicht auf Gedeih und Verderb der aktuellen Sonnenintensität ausgeliefert zu sein. Warum also nicht gleich den Fokus auf so einen Speicher legen und ihn auf andere Weise aufladen?
Wenn das genauso trivial wie mein Wasservorrat wäre, hätte ich es längst gemacht, aber ein Unterschied ist offensichtlich: Strom lässt sich nicht in kostengünstige Flaschen füllen. Sogenannte Powerstations, Akkus mit einer ausreichenden Kapazität für typische Haushaltsgeräte, kosten eine ordentliche Stange Geld.

Obendrein habe ich kein Vertrauen in die Langlebigkeit von elektrischen Geräten und ganz besonders Akkus sind da oft der Flaschenhals, der selbst bei Nichtbenutzung irgendwann seinen Zweck nicht mehr erfüllt. Vor diesem Hintergrund ist es erst recht unattraktiv, ein Heidengeld für eine Powerstation auszugeben, die man dann vielleicht erst in zehn oder zwanzig Jahren zum ersten Mal braucht.
Wenn ich mir schon so ein Gerät anschaffe, dann müsste ich auch hier im Sinne des »lebenden Vorrats« durch regelmäßige Nutzung sicherstellen, dass es noch benutzbar ist. Aber das ist nicht so trivial, wie eine Flasche Wasser zu trinken.
Klar könnte ich einmal pro Woche mein Smartphone damit aufladen, um zu sehen, ob die Powerstation überhaupt noch funktioniert. Aber Akkus sind eher selten von einem Tag zum anderen mausetot; im Normalfall verlieren sie nur nach und nach an Kapazität. Um ein Smartphone voll aufzuladen, braucht es vergleichsweise wenig Energie – das schafft eine typische Powerstation vermutlich auch dann noch, wenn sie bereits 90 Prozent ihrer Kapazität eingebüßt hat.
Die Ladestands-Anzeige, die so eine Powerstation üblicherweise hat, kann hier zumindest einen nützlichen Hinweis geben, auf den man achten sollte. Wenn diese nach dem Laden meines Smartphones von 100 auf 50 Prozent gesunken ist, stellt das immerhin ein deutliches Warnsignal dar. Aber selbst darauf würde ich mich nicht verlassen, denn auch Ladestands-Anzeigen können – wie ich aus eigener Erfahrung weiß – falsche Werte anzeigen.

Um wirklich sicherzugehen, dass noch ordentlich Kapazität vorhanden ist, müsste ich die eingelagerte Energie regelmäßig komplett aufbrauchen. Aber ich wüsste nicht, wie ich das auf natürliche Weise in meinen Alltag einbauen soll. So viele Mobilgeräte habe ich nicht zu laden und meine kabelgebundenen Geräte …
- … haben oft einen stark schwankenden Strombedarf, was jegliche Vergleichbarkeit erschwert.
- … sollen nicht spontan wegen eines leeren Akkus ausfallen – gerade deshalb sind sie ja in der Regel kabelgebunden.
- … sind oft nur umständlich umzustecken, weil das Kabel irgendwo hinter den Möbeln liegt.
Obendrein wäre es ein ironischer Schicksalsschlag, wenn ich meine Powerstation ausgerechnet dann als Notstromversorgung bräuchte, wenn ich sie zu Testzwecken gerade restlos geleert habe. Bei meinem Wasservorrat besteht dieses Risiko nicht, weil ich noch weitere, volle Wasserflaschen habe, aber wenn ich das genauso auf meinen Stromvorrat anwende und mir mehrere Powerstations kaufe, wird es nicht bloß teuer, sondern schweineteuer.
Strom wird überbewertet
Die Frage, wie ich eine Powerstation in meinem Alltag testweise leeren würde, führt zu einer noch viel grundlegenderen Frage: Was würde ich bei einem Stromausfall denn realistisch betrachtet überhaupt mit so einem Gerät anfangen?
Am wichtigsten wäre mir, dass die Lebensmittel in meinem Kühl- und Gefrierschrank genießbar bleiben. Aber dafür bräuchte man nicht bloß irgendeine beliebige Powerstation, sondern eine mit mindestens 1.500 Watt Spitzenleistung, was abermals den Preis in die Höhe treibt.
Wenn ich das in Relation dazu setze, dass mein Kühl- und Gefriergut nicht gerade aus Belugia-Kaviar und weißen Trüffeln besteht, zahlt sich das monetär in keiner Weise aus. Mein Verlust durch verdorbene Tiefkühlerbsen würde nicht an die Anschaffungskosten einer Powerstation herankommen.
Außerdem herrscht im Gefrierschrank ja nicht gleich Hochsommer, nur weil mal für zehn Minuten der Strom ausfällt. Laut Gefriertruhen-Hersteller Liebherr bleiben tiefgekühlte Lebensmittel selbst bei einem Stromausfall für zehn bis 64 Stunden sicher vor Verderb. So einen langen Ausfall hatte ich noch nie.

Und sollte mir bei einem tagelangen Blackout doch einmal etwas verderben, habe ich immer noch Konserven und andere Vorräte, die keine Kühlung brauchen. Zubereiten kann ich meine Nahrungsmittel auch ganz ohne Strom, da ich einen alten Gasherd habe. Verhungern werde ich also nicht so schnell.
Heizung und Warmwasser liegen auf meiner Prioritätenliste auch sehr weit oben. Die hängen in meiner Wohnung grundsätzlich genauso wie mein Herd an der Gas-Versorgung, allerdings springt die Kombitherme ohne Strom nicht an. Weil der Stromanschluss irgendwo in der Wand verbaut ist, kann ich dort aber nicht einfach eine andere Stromquelle anhängen, sondern bin auf Gedeih und Verderb davon abhängig, dass sowohl die Gas- als auch die Stromleitung funktionieren.
Als Vorsorge für Gasausfälle habe ich mir zwar auch elektrische Heizgeräte und eine elektrische Herdplatte zugelegt, aber alles, was aus Elektrizität Wärme erzeugt, ist eine regelrechte Ressourcen-Sau. Wenn ich so etwas mit einer Powerstation versorgen wollte, könnte ich die Nutzungsdauer bis zum leeren Akku in Minuten zählen.

Mein PC, der mitsamt seinen drei Monitoren und weiterer Peripherie einer meiner größten Stromverbraucher ist, wird in Notsituationen eine untergeordnete Bedeutung haben. Kollegen werden mir kaum böse sein, wenn mein Home-Office einmal vorübergehend nicht einsatzfähig ist, und meinen privaten Katzenvideo-Konsum kann ich auch aufschieben, bis der Strom wieder da ist.
Wirklich dringende Angelegenheiten könnte ich gegebenenfalls noch mit meinem Smartphone oder einem meiner zwei Laptops klären … sofern nicht die ganze Umgebung vom Strom-, und damit auch vom Mobilnetz, getrennt ist.
Nicht zuletzt würde mir bei einem Stromausfall natürlich auch das elektrische Licht fehlen, aber zu diesem Zweck wäre eine Powerstation die sprichwörtliche Kanone, mit der man auf Spatzen schießt. Ich brauche ja nicht zwingend eine Festbeleuchtung und für die meisten Taschenlampen genügen kleine AA- oder AAA-Akkus, die man zu Schleuderpreisen hinterhergeworfen bekommt. So eine Ausstattung habe ich auch ganz ohne Notfallsgedanken in mehrfacher Ausführung parat, um jederzeit in dunkle Winkel meiner Wohnung oder in mein unverkabeltes Kellerabteil schauen zu können.
Wem das immer noch zu viel Technik-Abhängigkeit ist, der könnte auch Kerzen oder eine Öllampe anschaffen. Und abseits der Nachtstunden gibt es bekanntlich auch noch dieses große Ding namens Sonne sowie kleinere Dinger namens Fenster – insofern ist elektrisches Licht für Leute, die nicht gerade in einer elektrisierten Gruft wohnen, nicht unbedingt das Dringendste, was man ersetzen muss.
Speicher, die wir bereits haben
Gerade an dem Beispiel mit den Taschenlampen und ihren Standard-Akkus ist mir bewusst geworden, dass ich ohnehin schon einen rudimentären Not-Stromvorrat daheim habe. Dieselben AA- und AAA-Zellen kann ich immerhin auch in ein paar anderen Geräten verwenden, zum Beispiel in einem alten Wecker, der mit nur einer einzigen Batterie monatelang läuft.
Für modernere Kleingeräte wie mein Smartphone, die sich einen feuchten Kehricht um standardisierte Wechsel-Akkus scheren, nutzt mir das zwar nichts, aber für diese habe ich wiederum eine andere, weniger offensichtliche Lademöglichkeit: Nachdem sich solche Geräte üblicherweise per USB laden lassen, kann ich die Akkus meiner beiden Laptops anzapfen. Weil die daheim dauerhaft am Stromnetz hängen, sind sie im Normalfall immer voll geladen und ich habe daher bereits zwei zumindest etwas größere Strom-Speicher, die ich im Sinne von lebendem Vorrat auch im ganz normalen Alltag nutze.

Nachdem sich eine größere Powerstation aus den weiter oben genannten Gründen kaum rentiert, habe ich damit bereits alles, was ich brauche.
Natürlich ist mir klar, dass das nur meine persönliche Situation beschreibt und zwei dauerhaft angesteckte Laptops nicht zur Standard-Ausstattung in jedem Haushalt gehören. Aber allgemein lässt sich bestimmt sagen: Bevor man einen Haufen Geld in einem reinen Notstrom-Vorrat versenkt, sollte man erst einmal darüber reflektieren, ob man nicht ohnehin schon alles hat, was man in einem realistischen Notfall-Szenario wirklich brauchen könnte.
Vielleicht fährt man leidenschaftlich gerne campen und hat deshalb ohnehin schon eine ordentlich dimensionierte, mobile Stomversorgung, die man anzapfen kann. Oder man hat bereits eine kompakte Powerbank, um sein Smartphone auf langen Reisen am Leben zu halten, und braucht gar nicht mehr, solange nicht gerade die Zombie-Apokalypse ausbricht.
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Testleser gesucht
Gefallen dir meine Artikel und würdest du gerne mehr von mir lesen? Ich arbeite derzeit an einem Roman über einen sarkastischen Informatiker, der einen Chatbot entwickelt, und suche nach Personen, die das aktuelle Manuskript probelesen wollen.
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MM
Zwei Hinweise hinsichtlich Kühlgeräte und deren Inhalt: Werfen Sie einen Blick in die Bedingungen Ihrer Haushaltsversicherung. Dort sollte sich in der Regel eine Kühlgutklausel finden.
Nachdem ich die enorme Vereisung des Gefriergerätes gesehen habe, ein Hinweis für die nächste Anschaffung: Investieren Sie etwas mehr in ein sog. 'No Frost'-Gerät. Diese Geräte brauchen geringfügig mehr Strom, kühlen genauso gut wie konventionelle, den Begriff 'abtauen' kennen dann beide (sie und Sie) dann nur mehr vom Hörensagen. Ich war anfangs sehr skeptisch, mittlerweile habe ich die Kühlschrank/Gefrierkombination und meinen ausschließlichen Gefrierschrank durch solche Geräte ersetzt. Der Verbrauch ist im Vergleich zu den Altgeräten geringer – und abtauen? Siehe oben ...
Zum Thema 'heiße Luft, um Gefriergeräte abzutauen' noch ein Hinweis: Nehmen Sie lieber ein flaches Gefäß mit heißem Wasser und stellen Sie es in das Gefriergerät. Sie werden erstaunt sein, wie schnell das Eis zu schmelzen beginnt und Sie es dann mit einem nicht zu scharfen Gegenstand entfernen können.
Für den hoffentlich niemals eintretenden Blackout haben sich auch Spirituskocher (bzw. solche mit Festbrennstoffen) bewährt. Auch die Anschaffung einer Lötlampe mit Gaskartusche (und natürlich einigen Exemplaren in Reserve) kann nie verkehrt sein.
Michael Treml (Seitenbetreiber)
Antwort an MM:
Vielen Dank für die Tipps! Vor allem das mit der Haushaltsversicherung wäre mir gar nicht in den Sinn gekommen.